Wie wir Deutschlands größte virtuelle Salatbar gebaut haben (Teil 2).
Teil 2: Welche besondere Rolle Influencer für uns spielen.
„Influencer sind zwar erfolgreich, aber inhaltlich einfach nur arm. Das „personifizierte inhaltliche Nichts“
so nennt Patrick Hyslop Influencer in seinem Kommentar auf tag24.de
— und spricht damit sicherlich einigen aus der Seele. Ich gebe zu: Als wir STADTSALAT 2015 gründeten, war ich auch kein Fan von Influencern. Influencer? Braucht kein Mensch, und boor ist das schlecht, dachte ich. Mädels, die sich in der Wanne mit Bifis rekeln oder im Infinity Swimming Pool mit ihrer ORAL-B planschen gehen, ist vor allem eins: lächerlich. Ich war überzeugt, dass eine Marke wie STADTSALAT mit Influencern nur verlieren kann.
Ohhhh Boy, was I wrong…
Influencer sind für uns ein Geschenk des Himmels
Heute sehe ich das komplett anders. Die Zusammenarbeit mit Influencern ist inzwischen ein wichtiges Marketing-Tool für STADTSALAT. In unseren ersten Prototypen-Tests setzten wir noch auf Flyer-Werbung und Pull-Marketing in Form von Google Adwords, was für uns jedoch nicht gut genug funktionierte. Neue Vermarktungswege mussten her — und weil Facebook Ads vor allem als Retargeting super funktionierten, mussten noch andere Wege her, um STADTSALAT bekannt zu machen. PR-Expertin Ulrike Dittloff, von PONY & BLOND, riet mir damals, mit Influencern zusammenzuarbeiten und bot an, erste Kontakte herzustellen. Das sollte unser Marketing nachhaltig verändern.
Gutes Influencer-Marketing hat richtig Power
Wir tüteten erste Deals ein und waren erstmal gespannt. Ich kann mich noch gut an den Tag im Mai 2015 erinnern, an dem Caro Daur (damals noch mit 200k Followern) das erste Mal einen Post für uns abgesetzt hat.
Auf STADTSALAT.de waren zu der Zeit nie mehr als fünf bis zehn Besucher zeitgleich aktiv.
Plötzlich waren es knapp 500. Mein erster Gedanke: DDOS. Nachdem wir das ausschließen konnten habe ich unsere Social Media Kanäle geprüft und siehe da: Caros Post war online. Irre.
Zwei Wochen vorher hatten wir einen wirklich tollen Beitrag im Hamburger Abendblatt, der nur einen Bruchteil des Effekts hatte. Spätestens jetzt war klar: Gutes Influencer-Marketing hat richtig Power. Und ich hatte sie vollkommen unterschätzt.
Influencer übernehmen für uns wichtige Aufgaben
Also machten wir weiter. Wir hatten ein tolles Produkt und waren gut darin, Kunden zum Converten zu bringen, wenn sie erst einmal im Funnel waren. Deshalb setzen wir zu Beginn ausschließlich auf Reichweite und Bekanntheit der Influencer. Heute sehen wir das deutlich differenzierter. Influencer übernehmen bei STADTSALAT inzwischen mehrere Aufgaben:
- Sie geben der Marke ein Gesicht und sorgen für Bekanntheit
- Sie bringen User in den Funnel (Stichwort: Audience Building)
- Sie erhöhen die Glaubwürdigkeit der Marke
- Sie produzieren hervorragenden Content
Jeder einzelne Punkt ist dabei für uns relevant:
- Reichweite / Bekanntheit
Gerade zu Beginn war es für uns wichtig, unserer Marke auch auf den Social-Media-Kanälen ein Gesicht zu geben und dort eine gewisse Bekanntheit zu erlangen. Über Influencer konnten wir viele Menschen erreichen, die sonst vielleicht nie von STADTSALAT erfahren hätten. Unser Vorteil: Das Thema Food, gerade gesundes und dabei leckeres Essen, funktioniert in fast allen Altersklassen sehr gut. Zudem lässt es sich super mit den Themen Beauty, Fitness, Mode und Lifestyle kombinieren. Wir können also aus einem großen Pool an Influencern schöpfen und müssen uns nicht auf ausgewiesene Food-Blogger beschränken.
2. Audience Building
Die Influencer übernehmen zudem eine für uns ganz wichtige Aufgabe: die Kaltakquise neuer Kunden, besser gesagt: sie stellen den ersten Kontakt zu STADTSALAT her. Denn die direkten Sales, die wir aus der Zusammenarbeit mit Influencern gewinnen, sind verschwindend gering, aber mit Ihrer Hilfe filtern wir im ersten Schritt die Leute heraus, die grundsätzlich an STADTSALAT interessiert sind und ggf. Kunden werden könnten. Einmal identifiziert, können wir diese Interessenten regelmäßig ansprechen (Stichwort: Retargeting)— und irgendwann zum Kauf zu animieren.
Das Prinzip ist einfach: Der Influencer macht eine Story oder ein Posting über STADTSALAT, einige seiner Follower interessiert das. Sie schauen sich unser Profil an oder klicken auf unsere Webseite. Bei diesem ersten Kontakt bestellen sie nicht unbedingt, die meisten vergessen uns wahrscheinlich sogar wieder. Aber wir vergessen sie nicht. Und investieren einen Großteil unserer Ad Spendings, um STADTSALAT genau diesen grundsätzlich interessierten Personen regelmäßig schmackhaft zu machen. Das klappt ganz vorzüglich. Sieht die Person unsere Ads, erinnert sie sich im Zweifel daran, dass einer der Influencer, dem sie folgt, auch schon mal bei STADTSALAT bestellt hat. Und schon gewinnt die Werbung an Relevanz. Wir sparen dadurch bares Geld, da wir gezielt werben können und weniger Streuverluste haben. Und die Ads, die wir ausliefern, haben auch noch eine deutlich höhere Relevanz. Das nennen wir Audience Building.
3. Glaubwürdigkeit
Aktuell meinen viele, dass Influencer Marketing in einer Sinnkrise steckt. Ja, es gibt peinliche Influencer-Postings, keine Frage. Nämlich vor allem dann, wenn Influencer und Marke nicht zusammenpassen. Auch der Begriff ist teils negativ aufgeladen. Nicht jeder will beeinflusst werden. Ich verstehe das — und sage deshalb lieber „inspirieren“. Ich werde gern inspiriert! Und nutze Influencer als Verlängerung meiner Wahrnehmung. Das macht mein Leben bunter und spart mir viel Zeit.
Auch die Zahlen sprechen weiter für die Influencer: Bei einer Untersuchung von G+J aus dem Jahr 2017 gaben 90 % der Befragten an, dass sie werbende Influencer als ehrlich einschätzen. 75 % der Befragten bezeichneten Influencer als unabhängig.
4. Contentproduzenten
Unsere Influencer produzieren tollen Content, der perfekt für Social Media geeignet ist. Sie helfen uns, unseren eigenen Redaktionsplan um gute Visuals zu erweitern. Durch das Analysieren ihrer Posts (Engagement Raten und Kommentare) können wir verifizieren, welche Bilder und Texte gut performen. Die Besten bekommen einen besonderen Platz in unseren Werbeformaten — das spart Kosten und eigene Ressourcen.
Unsere Influencer sind dabei sehr frei in der Art und Weise, wie sie STADTSALAT präsentieren. Für uns eine tolle Chance zu experimentieren und neue Inspiration zu erhalten.
Von Influencern profitieren: der Mix macht’s
Jeder Influencer, mit dem wir zusammenarbeiten, hat eine eigene Handschrift. Genau diese Individualität macht die Zusammenarbeit für uns aus. STADTSALAT arbeitet mittlerweile mit knapp 200 Influencern zusammen. Wenn wir demnächst in Berlin eröffnen, werden es bestimmt noch einmal 200 mehr. Bei der Menge ist es wichtig, die Influencer zu clustern. Wir hinterfragen immer kritisch, wer wirklich zu uns passt. Dann unterteilen wir die Influencer nach Größe in verschiedene Kategorien. Das hilft uns beim Dealmaking: Für jede Gruppe haben wir einen festen Betrag definiert (Gutscheine oder Rechnungssumme), der für alle in der Gruppe gleich ist. So stellen wir sicher, dass wir alle fair behandeln. Nur bei größeren Accounts vereinbaren wir individuelle Deals.
Insgesamt achten wir auf einen ausgewogenen Mix aus kleineren und größeren Accounts. Denn jede Gruppe erfüllt für uns andere Aufgaben. Während große und sehr bekannte Influencer wie Caro Daur oder Elena Carriere eine mega Reichweite haben und oft als Super Influencer agieren (sie influencen andere Influencer — haha!), haben kleine Accounts eine deutlich lokalere Followerschaft, was wiederum für unser Audience Building enorm wichtig ist. Schließlich konzentrieren wir unsere Werbung auf unsere Liefergebiete. Die Kategorisierung hilft uns bei der gedanklichen Einordnung und beim Rollenverständnis:
Die richtigen Influencer zu finden ist relativ leicht
Da wir bei den Themen Food, Beauty, Fashion und Fitness einen sehr guten Match mit gutem gesunden Essen sehen, fällt es uns leicht, entsprechende Profile zu identifizieren.
So gehen wir vor:
- Wir prüfen, welchen Influencern unsere eigenen Follower folgen (Instagram macht einen guten Job relevante Profile priorisiert anzuzeigen).
- Wir fragen ausgewählte Bestandsinfluencer, ob sie uns andere Influencer empfehlen können.
- Wir schauen uns an, wer unseren Content liked und uns folgt.
- Wir suchen nach für uns relevanten Hashtags.
- Wir schauen, welchen Influencer unsere Bestandsinfluencer followen.
Wenn man sich dafür ein paar Stunden Zeit nimmt, findet man zügig die ersten 50–70 interessanten Accounts aus der Region, in der wir Kunden ansprechen wollen. Deals mit großen Influencern führen außerdem dazu, dass wir proaktiv von weiteren möglichen Kooperationspartnern angeschrieben werden.
Für die finale Auswahl der Influencer sind uns folgende Parameter wichtig:
Engagement Rate
Die Engagement Rate ist für uns der wichtigste quantitative Indikator um zu sehen, ob ein Influencer eine vitale Community hat oder nicht. Wir halten eine Engagement Rate von 2,5 % auf Posts für gut. Influencer mit Engagement Rates von unter 1 % sind für uns nicht interessant.
Engagement Qualität
Die Engagement Qualität ist uns ebenfalls sehr wichtig. Ein „ok“ oder „nice picture“ als Kommentar finden wir deutlich weniger spannend als einen ausführlichen Kommentar, am besten noch mit Verlinkung anderer Accounts.
Engagement Verteilung
Die meisten Influencer besetzen verschiedene Themen und haben unterschiedliche Arten von Posts. Es nützt uns gar nichts, wenn der Influencer mit #bootycheck tolle Engagementwerte erzielt, aber beim Thema Food deutlich darunterliegt.
Content Qualität und Authentizität
In einem sich konsolidierenden Influencermarkt und mehr Wettbewerb um Reichweite bei Instagram (und auf allen anderen Social-Media-Kanälen) wird Qualität immer wichtiger. Wir achten verstärkt darauf, dass Influencer unsere Werte und unsere Philosophie teilen und eine Bildsprache sprechen, die zu unserer Markenkommunikation passt.
Ansprache von Influencern: Wertschätzung ist das A und O
Influencer sind für uns keine Wannabe-Celebrities. Ein Status, auf den sie von vielen Promis und Journalisten gerne reduziert werden. Für uns sind sie wichtige Kunden, Freunde und Berater.
Wenn wir mit ihnen in den Dialog treten, ist Wertschätzung das A und O. Wir begegnen unseren Partnern immer auf Augenhöhe und achten stets auf eine persönliche Note.
Die Zusammenarbeit betrachten wir als Win-Win mit tieferer Bedeutung. Während wir Reichweite, Glaubwürdigkeit und Inspiration bekommen, möchten wir unseren Influencern abseits von Cash und Gutscheinen die Möglichkeit geben, sich als Teil von STADTSALAT zu verstehen, mit uns, unserer Markenwahrnehmung und unseren Werten zu wachsen und das eigene Profil zu schärfen. Toan Nguyen, Partner bei der Kreativagentur Jung von Matt, teilt unsere Ansicht und schreibt dazu:
„Today, influencers no longer want to be called influencers, but creators. For instance, it’s important for them to help design a product and not just advertise its virtues. They want to be valued, be part of the brand family and have a yearning to collaborate with attractive brands, as it boosts their reputation and image.“
STADTSALAT setzt auf langfristige Beziehungen
Uns ist es wichtig, möglichst langfristige Beziehungen aufzubauen und zusammen zu wachsen. Das bedeutet auch, dass wir eine beidseitige Feedbackkultur entwickeln. Unsere Leitgedanken:
- Wir verstehen dich als Partner, nicht als Werbeplattform
- Wir möchten wissen, was dir und deiner Community wichtig ist
- Wir sind straight forward, wertschätzend und labern nicht drum herum
- Wir vertrauen dir und glauben, dass du deine Community besser verstehst als wir
- Wir geben dir Raum für Authentizität
- Wir streben fortlaufend einen Werteabgleich an und sprechen offen darüber, wenn wir feststellen, dass wir uns voneinander entfernen
Punkt 6 zeigt, dass es natürlich auch passieren kann, dass man irgendwann nicht mehr zusammenpasst. Auch in dem Fall ist es uns wichtig, offen mit unserer Wahrnehmung und unserer Entscheidung umzugehen.
Mein Fazit
Die Zusammenarbeit mit den richtigen Influencern, die zur Marke passen, hilft uns beim Wachsen und bei der Imagebildung. Gerade langfristige Kooperationen werden für uns immer wichtiger. Das Vertrauen und das gegenseitige Verständnis führt zu der Symbiose, in der Influencer und Marke miteinander verschmelzen und sich gegenseitig stärken. Voraussetzung für ein erfolgreiches Influencer-Marketing ist neben der kritischen Auswahl der passenden Partner vor allem ein wertschätzender Umgang mit guter Feedbackkultur.
Ich sage: Wir brauchen Influencer. Wer sie belächelt, hat nicht verstanden, wie sich das Medienkonsumverhalten verändert. Und lässt im Zweifel sehr viel Potenzial ungenutzt liegen.