Food Delivery in Deutschland: Die Schlacht ist entschieden — das sind die Folgen
Deliveroo hat sich aus dem deutschen Markt zurückgezogen. Im August verkündete der britische Lieferdienst, sich ab sofort auf andere Märkte konzentrieren und diese ausbauen zu wollen. Völlig überraschend kam das vielleicht nicht, immerhin wurden letztes Jahr schon mehrere deutsche Städte aus dem Portfolio gestrichen. Ein Ausstieg auf Raten quasi, der mich dennoch verwundert hat. Insbesondere nach dem Einstieg von Amazon bei Deliveroo im letzten Jahr.
Das Heikle daran: Mit Deliveroo verabschiedet sich ein verhältnismäßig kleiner, aber durchaus wichtiger Player vom deutschen Markt — und überlässt diesen fortan komplett der Takeaway Gruppe mit der Marke Lieferando. Und eben die hat, es ging durch die Presse, vor nicht allzu langer Zeit das Deutschlandgeschäft von Delivery Hero (Lieferheld, pizza.de und Foodora) gekauft.
Hallo, Monopol. Hallo, Probleme.
Dass der deutsche Food Delivery-Markt fortan nur noch von einem Anbieter dominiert wird, hat Konsequenzen. Für Partner-Restaurants, für Kunden, für die Mitarbeiter (vor allem für die Fahrer) — und letztlich auch für Unternehmen wie STADTSALAT. Aber mal der Reihe nach.
Für teilnehmende Restaurants wird es teuer werden
Für Partner-Restaurants scheint es auf den ersten Blick erstmal eine fast schon praktische Entwicklung zu sein. Sie müssen nur noch ein statt bislang bis zu vier Geräte (Lieferheld, Deliveroo, Foodora und Lieferando) im Laden bereitstellen und auch weniger Menüs pflegen. Aber: Dafür gibt es jetzt deutlich mehr Konkurrenz auf einer Plattform. Und das bei einem sicherlich geringeren Gesamtvolumen. Denn nicht alle ehemaligen Deliveroo-Kunden werden zu Lieferando wechseln.
Noch viel härter aber werden die Restaurants die künftig deutlich höheren Provisionen von Lieferando treffen. Diese werden sich mindestens auf dem Niveau der Niederlande einpendeln, also bei etwa 14 % (aktuell: 12 %). Warum? Weil Lieferando die Gebühren anheben muss, um in Deutschland endlich in die Gewinnzone zu kommen. Aktuell ist das Lieferando-Geschäft hier nämlich noch defizitär. Für viele kleine Betriebe wird das nur schwer zu verkfraften sein. Und gerade für die, die noch alte Deals mit Provisionen von um die 8 % haben, die aus einer Zeit stammen, in der die Plattformen Restaurants mit sehr günstigen Konditionen gelockt haben. Einige Restaurants werden sich die immerhin dann fast doppelt so hohen Kosten, bei gleichzeitig geringerer Sichtbarkeit, schlichtweg nicht mehr leisten können. Denn bei vielen kleineren Gastrounternehmen liegt die Marge häufig unter zehn Prozent vom Umsatz.
Für Ghost Restaurants wie „Keatz“ ändert sich die Lage noch aus einem anderem Grund dramatisch: Ihr Geschäftsmodell (kein Gastraum, mehrere Restaurantkonzepte unter einem Dach, nur Lieferung) wird von Lieferando nicht unterstützt. Erlaubt ist pro Standort nur ein Restaurant-Listing. Das ist an sich ja auch sehr nachvollziehbar, weil Lieferando die Sichtbarkeit nicht kostenlos abgeben möchte (als Restaurant kann man sogar für bessere Listenplätze zusätzlich zahlen) und deswegen ein Auffächern des Angebots verhindert. Einige Ghost-Restaurants werden sicherlich überlegen, eigene Fahrer zu beschäftigen. Nur ist das oft eben auch sehr teuer und für die meisten bleibt es dann eine Wahl zwischen Pest und Cholera: Aufgeben oder sehr viel Risiko gehen.
„Masse statt Klasse“ lautet das neue Motto
Auch die Kunden werden — zumindest in Großstädten — zu spüren bekommen, dass es Deliveroo nicht mehr gibt. Zum einen daran, dass sie weniger Werbung erhalten werden, als Monopolist hat Lieferando das nicht mehr so nötig wie früher. Insbesondere wird es auch weniger Gutscheinaktionen geben (über die irrsinnige Gutscheinschlacht der Lieferdienste habe ich hier schon mal geschrieben). Aber die so eingesparten Kosten werden nicht beim Kunden ankommen — sorry! Wir erinnern uns: Lieferando schreibt noch keine schwarzen Zahlen.
Und zum anderen wird es für Kunden wahrscheinlich teurer werden. Denn viele Restaurants werden ihre Preise erhöhen, um die höheren Provisionen auszugleichen. Mit Sicherheit geht das alles auch zu Lasten der Qualität und langfristig wird die kulinarische Vielfalt schrumpfen, weil einige Restaurants das nicht mitmachen werden wollen. Uns erwartet also schlechtere Qualität, weniger Auswahl und dafür höhere Preise.
Besonders hart trifft es die Fahrer
Richtig bitter ist die ganze Nummer für die ehemaligen Deliveroo-Fahrer. Klar, die Arbeitsbedingungen von Deliveroo waren alles andere als optimal und das Unternehmen hatte zurecht immer mit Kritik zu kämpfen — gepusht vor allem durch die medienwirksame Arbeit von „Liefern am Limit“. Aber in dieser Debatte lag auch eine Chance. Ich bin mir sicher, dass der Gegenwind irgendwann Wirkung gezeigt hätte und ja auch schon gezeigt hat. Dass sich wirklich etwas an den Arbeitsbedingungen der Fahrer, die stellvertretend für viele Jobs in der digitalen Plattformwirtschaft stehen, hätte verändern können.
Doch mit dem Rückzug von Deliveroo wird das Thema aus den Medien verschwinden. Und damit verpufft auch die Möglichkeit, auf die generellen Missstände auf unserem Arbeitsmarkt aufmerksam zu machen. Am Beispiel der schlecht bezahlten Fahrer und der Scheinselbstständigkeitsproblematik bei Deliveroo konnte man die Zustände auf dem deutschen Arbeitsmarkt für prekäre Beschäftigung wunderbar demonstrieren. Damit ist nun Schluss. Schade.
Die Chance für bessere Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt? Vertan!
Der Wettbewerbsdruck um die Fahrer fällt weg und damit nimmt auch die Wahrscheinlichkeit ab, dass die Arbeitsbedingungen sich langfristig positiv entwickeln. Einige Ex-Deliveroo-Fahrer werden wohl zu anderen Lieferdiensten und damit häufig Regen in die Traufe wechseln — viele der Jobs werden jedoch einfach wegfallen. Lieferando, so viel steht fest, wird kaum jemanden übernehmen. Denn was nicht jeder weiß: Nur etwa ein Prozent aller Bestellungen bei Lieferando werden in Deutschland überhaupt von Lieferando-Fahrern ausgeführt. In 99 Prozent der Fälle lassen die Restaurants zwar die Bestellabwicklung über Lieferando laufen, die Lieferung übernehmen sie aber selbst. Und das heißt oft: unterbezahlte Fahrer, alte Autos, und leider auch oft Schwarzarbeit und bestenfalls geringe Sozialabgaben.
Quality first: Unternehmen wie STADTSALAT profitieren
Ich beobachte diese Entwicklung insgesamt mit Bauchschmerzen. Vor allem, weil es nach den Verlustmeldungen von Vapiano nun schon die zweite Negativ-News für den deutschen Food Markt in nur zwei Monaten ist. Gleichzeitig bin ich froh, dass wir mit STADTSALAT von Beginn an einen völlig anderen Ansatz hatten: Wir beschäftigen eigene Fahrer, stellen vernünftige Arbeitsbedingungen und Gehälter sicher, liefern hohe Qualität und bepreisen die dementsprechend. Unsere vertikale Integration schützt uns extrem vor der Entwicklung von anderen Marktteilnehmern. Wir sind nicht auf einen besonderen Partner angewiesen und sind vom Deliveroo-Aus deshalb nicht negativ betroffen. Im Gegenteil: Wir haben sogar ein wenig vom Rückzug Deliveroos profitiert.
Das Deliveroo-Konzept war am Ende zwar verwässert, aber die Kunden, die ursprünglich wegen des ausgewählten Premium-Angebots zu Deliveroo kamen, suchen nun nach echten Alternativen. Bei Lieferando finden sie diese in der Regel nicht, und landen so bei Unternehmen wie uns. Unternehmen, die auf „Quality first“ setzen.
Ich würde mir mehr Qualität am Markt wünschen
Und davon muss es noch mehr geben. Ich würde mir wünschen, dass der aktuelle Umbruch im Food-Delivery-Markt Verbraucher wachrüttelt. Dass sich mehr Kunden kritischer mit dem Thema der Essenslieferung auseinandersetzen. Sich häufiger mal fragen: „Wie möchte ich mich eigentlich ernähren?“
Ich bin froh, dass Regionalität, Tierwohl und Plant Based Food wichtige Trends geworden sind, deren Entwicklung sich nicht mehr umkehren lässt. Sie werden mehr und mehr um sich greifen. STADTSALAT zeigt, dass Food-Konzepte im Premium-Segment auch larger scale funktionieren können. Dass man tolle Qualität liefern, angemessene Preise verlangen, seine Fahrer fair bezahlen und trotzdem wirtschaftlich arbeiten kann.
Ich hoffe, dass wir mit unserer Arbeit anderen Mut machen, einen ähnlichen Weg zu gehen.